Gewalt gegen Rettungskräfte – nicht nur in Metropolen
Zur Häufigkeit von Gewalt gegen Rettungskräfte bestehen trotz ausführlicher Berichterstattung in den Medien nur wenige wissenschaftliche Untersuchungen im deutschsprachigen Raum. Doch nun zeigt eine aktuelle Studie der Universität in Koblenz beachtliche Ergebnisse.
An der Erhebung der Wissenschaftler Cordula Jüchser und Daniel Richter von der Universität in Koblenz nahmen 2.554 Teilnehmer aus den Bereichen Feuerwehr, Rettungsdienst, Sanitätsdienst, Berg- und Wasserrettung und Technische Hilfeleistung teil. Davon waren 44,1 Prozent hauptamtlich und 55,9 Prozent ehrenamtlich beschäftigt. Durchgeführt wurde die Studie zwischen Mai und Juli 2019 mittels eines Online-Fragebogens.
Erstmalig wurden Daten flächendeckend für ein gesamtes Bundesland - Rheinland-Pfalz - erhoben. Für diese Analyse konnten 1.717 Fragebögen verwendet werden. 65,4 Prozent der Fälle, in denen es laut der Studienteilnehmer zu Gewalttaten gegen Rettungskräfte gekommen war, fanden in Städten und Gemeinden mit weniger als 20.000 Einwohner statt. 20.000 bis 80.000 Einwohner leben in den Städten, in denen 15,8 Prozent der Gewalttaten gegen Rettungskräfte verübt worden waren. Folglich ist Gewalt gegen Rettungskräfte nicht nur ein Problem der Großstädte, sondern ganz deutlich auch des ländlichen und kleinstädtischen Raums.
Mehr als ein Drittel der Teilnehmer gaben an, Gewalt in den vergangenen zwölf Monaten im Einsatz erlebt zu haben. Hierbei zeigte sich, dass knapp drei Viertel psychische Gewalt wie Beschimpfungen, Drohungen, Erniedrigungen, beleidigende Gebärden sowie Anschreien und fast zwei Drittel physische Gewalt wie Körperverletzung, sexuelle Nötigung, Freiheitsberaubung, Behinderung der Rettungsmaßnahme, Sachbeschädigung, Vandalismus oder Diebstahl erfahren haben. 88,8 Prozent der Täter waren Männer aller Altersstufen.
Die Studienteilnehmer hatten die Möglichkeit, ein subjektives Meinungsbild zum Thema abzugeben: Ein Großteil der Befragten sehen Gewalt im Einsatz als ein relevantes Thema an und wünschen sich mehr Unterstützung. Weiter berichten die Teilnehmer, dass Gewalt gegen Rettungskräfte in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen habe.
Zudem hatten die Rettungskräfte die Möglichkeit, eigene Wünsche zum Thema zu äußern. Diese Möglichkeiten nutzen ein Drittel der Teilnehmer. Eine inhaltliche Analyse ergab, dass sich die meisten Kräfte Unterstützung durch Änderungen der Rahmenbedingungen, mehr Strafverfolgung, Öffentlichkeitsarbeit, Schutzausrüstung und Trainingsmaßnahmen erhoffen.
Zur Durchführung der Studie und Teilnehmergewinnung wurde das Projekt „Leben!sretter – Keine Gewalt gegen Rettungskräfte“ ins Leben gerufen. Unterstützt wurde die Erhebung zudem vom Ministerium des Innern und für Sport (RLP).
Zusatzinformationen:
In der bundesweiten polizeilichen Kriminalstatistik ist ein Anstieg von 37 Prozent zwischen 2012 und 2017 der angezeigten Körperverletzungen von Rettungskräften zu verzeichnen. Im Dunkelfeld beschreiben Julia Schmidt (2012) sowie Prof. Dr. Thomas Feltes und Marvin Weigert (2018), alle von der Ruhr-Universität Bochum, eine Rate von bis zu 90 Prozent an Gewalterfahrungen von Rettungskräften. Primär wurden in diesen Studien Metropolregionen untersucht, der ländliche Raum wurde nur am Rande erfasst. Hier zeigten sich nur geringe Häufungsraten.
Ansprechpartnerin:
M.Sc. Psych. Cordula Jüchser
Universität Koblenz-Landau
Campus Koblenz
Universitätsstr. 1
56070 Koblenz
Tel.: 0261 - 287-1919
E-Mail: juechser@uni-koblenz.de
Datum der Meldung 10.03.2020 15:00