Alexander Schuster

Academic Fellow (Max-von-Laue Institute of Advanced Ceramic Material Properties Studies)

Forschungsprojekt
Charakterisierung, Weiterentwicklung und Herstellung von oxidkeramischen Halbzeugen unter dem Einfluss von elektromechanischem Verhalten

Aluminiumoxid (kurz Al2O3) zählt zu dem am häufigsten verwendeten Material für keramische Anwendungen. Das Einsatzgebiet erstreckt sich neben feuerfesten Materialien über weite Teile der technischen- und funktionskeramischen Industrie, bis hin zur Elektro- und Isolationstechnologie.1,2 Seine weite Verbreitung verdankt es neben den hervorragenden mechanischen und thermischen Eigenschaften nicht zuletzt der kostengünstigen und großindustriellen Gewinnung mittels Bayer-Verfahren. Das zwischen 1887 und 1892 von Karl-Joseph Bayer patentierte Verfahren ermöglicht durch einen alkalischen Aufschluss eine starke Anreicherung von Aluminiumoxid im Bauxit.2 Seit über hundert Jahren ist dieses das priorisierte Verfahren, welches eine jährliche Raffinadenproduktion von 43,8 Millionen Tonnen (2011) hervorbringt.1 Das Bayer-Verfahren ermöglicht eine Erhöhung des Aluminiumoxidanteils von anfänglich ca. 55 Ma% auf bis zu 99,0 Ma% – 99,9 Ma%.2,3 Dessen Nachteil ist, dass ein geringer Prozentsatz an Oxiden wie Na2O, Fe2O3, MgO und CaO im fertigen Produkt verbleiben. 

Trotz des überwiegenden Marktanteils von über 90 % der Bayer-Tonerden4 basiert ein Großteil der Forschung zur Sinterung und den Einfluss von Verunreinigung auf ultrahochreinen Tonerden (≥ 99,999 %). Diese aus Ausgangsmaterialien wie Ammoniumaluminium (NH4Al(SO4)2 – 12 H2O), Böhmit (γ-AlOOH) und Aluminiumchlorid (AlCl3) gewonnenen Substrate beinhalten kaum Fremdoxide und eignen sich perfekt, um die Wirkung einzelner Additive auf das Sinterverhalten zu analysieren.5 Zwar stellen ultrahochreine Tonerden eine ideale Plattform für Analysen dar, jedoch ist eine wissenschaftliche Betrachtung kommerzieller Bayer-Aluminate unerlässlich. Im Gegensatz zu hochreinem Aluminiumoxid sind aufgrund der Vielzahl von Oxiden in ihm mannigfaltige Kreuzeffekten möglich, welche unterschiedlichste Auswirkung auf die Gefügeentstehung haben können.  

Ziel der Dissertation ist zu untersuchen, wie die extrinsische Pulverchemie von Tonerde, die Verdichtung, die Entwicklung der Mikrostruktur, die elektrischen Eigenschaften und die grundlegenden Sintermechanismen beeinflusst. Hierfür werden Modelle erstellt, welche Kreuzeffekte, unter anderem von Na2O, SiO2 und CaO postulieren sollen. Im Focus stehen hierbei die unterschiedlichen Löslichkeiten der einzelnen Oxide und Phasen. 

Die Korngrenzen werden auf mögliche Auszeichnungen hin untersucht. Diese können in Abhängigkeit ihrer chemischer Umgebung Flüssigphasen bilden, welche je nach Abkühlparameter kristalline oder amorphe Ausscheidungen bilden. Bei der Analyse liegt das Augenmerk auf dem Einfluss des Flux und auf das elektrische Durchschlagsverhalten. 

Zur Analyse von Korngrenzen und Mikrostruktur kommen hochauflösende optische Mikroskope zum Einsatz. Diese ermöglichen eine umfassende Untersuchung der entstehenden Gefüge in Abhängigkeit von Prozessbedingungen und Zusammensetzungen. Zur Unterstützung dieser Analysen kommen zusätzlich hochauflösende EDX Mappings zum Einsatz, welche aufgrund ihrer im Vergleich zur Transmissionselektronenmikroskopie, eine geringere Beschleunigungsspannung aufweisen. Dies ermöglicht das Diffundieren und Verdampfen leichter Elementen wie Na2O zu verhindern. Des Weiteren wird die Auswirkung des Gefüges und der Sinteradditive auf die elektrischen Eigenschaften, insbesondere auf die Durchschlagsfestigkeit in Abhängigkeit von den Korngrenzenphasen und chemischen Zusammensetzungen betrachtet. Dabei werden Untersuchungen mit der spitzenverstärkten Raman Spectroscopie (Tip-enhanced Raman spectroskopy - TERS)  als auch die Dynamische Differenzkalorimetrie (DSC) angestrebt.