Informationen zur geplanten Dissertation

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Düfte & Dinge

Überlegungen zu einer Phänomenologie der olfaktorischen Wahrnehmung

 

Promotionsprojekt von Andreas Sandner

Betreuer: Prof. Dr. Ralf Becker

 

Während die Philosophie der Wahrnehmung zwar prinzipiell mit einem holistischen Gestus auftritt, der keine Sinnesmodalitäten auszuschließen beabsichtigt, konzentriert sie sich faktisch doch vor allem auf die visuelle Wahrnehmung. Auch akustische- und Tastwahrnehmung werden gelegentlich noch etwas breiter thematisiert. Der Geruch wurde dagegen tatsächlich beinahe die gesamte Philosophiegeschichte hindurch äußerst stiefmütterlich behandelt.

Ausgehend von der Frage nach dem spezifischen Objekt des Riechens sollen Probleme wie die olfaktorische Räumlichkeitserfahrung, olfaktorische Sinnestäuschungen und der Duft als ästhetisches Objekt eine Rolle in meiner Dissertation spielen. Während die insbesondere in der analytischen Philosophie diskutierte Objekt-Frage dort grundsätzlich mit Varianten einer „Dufttheorie“ beantwortet wird, nach welcher das (intentionale) Objekt des Riechens eben als Duft anstatt als partikularer Gegenstand zu bestimmen sei, werde ich versuchen, eine phänomenologische Auffassung zu verteidigen, die von einem sinnesholistischen Wahrnehmungsobjekt ausgeht und Düfte daher als sinnlich erfahrbare Eigenschaften dieses Objekts auffasst, nicht aber als Objekte selbst. Dazu werde ich versuchen nachzuzeichnen, wie die „Dufttheorie“ zumeist auf einer unscharfen Begrifflichkeit und einem überzogenen Physikalismus fußt und dabei zwangsläufig zu unannehmbaren Konsequenzen führen muss: Dufttheorien ignorieren die abstrakt-theoretische Natur sinnlicher „Empfindungen“ und verwechseln kausalistische Erklärungen zum intentionalen Wahrnehmungsobjekt mit der Strukturbeschreibung des Erlebens phänomenaler Qualitäten. Abgesehen davon, dass sich die Charakterisierung von Düften als Dinge entweder als Zirkelschluss erweist, oder aber einen infiniten Regress zur Folge hat, führt eine solche Annahme bisweilen zu sonderbaren Ansichten über das olfaktorische Erleben – beispielsweise von Räumlichkeit – sowie über Sinnestäuschungen des Geruchssinns. Insbesondere letztere lassen sich, wie ich glaube, aus einer phänomenologischen und an einem perzeptiven Holismus orientierten Perspektive wesentlich verständlicher beschreiben. Die Überlegungen dazu sollen mir schließlich helfen, in einem Ausblick einige Thesen zur phänomenalen Grundstruktur exterozeptiver ästhetischer Objekte zu formulieren.

 


Odours and Things

Reflections on the Phenomenology of Olfaction

 

PhD project by Andreas Sandner

Supervisor: Prof. Dr. Ralf Becker

 

While philosophy of perception basically emerges with a holistic stance that tries to include any sensory modality alike, there is in fact a primacy of the visual perception. Acoustic and tactile perception may also have been thematized occasionally. But smell, on the other hand, was actually treated with severe neglect throughout almost the entire history of philosophy.

Taking the question of the specific olfactory object as a starting point, problems such as the olfactory experience of space, olfactory illusions, and the odour as an aesthetic object will be addressed during my PhD thesis. The object question, which is discussed extensively in analytic philosophy, is usually answered with variants of an "odour theory" according to which the (intentional) object of olfaction is to be regarded as an odour rather than a particular thing. By contrast, I will try to defend a phenomenological approach which is based on the concept of a sensorily holistic object of perception and therefore conceives of odours as sensory properties of this object but not as objects themselves. In order to do so, I will draw attention to how the "odour theory" is mostly grounded on a blurred terminology and an exaggerated physicalism, which inevitably lead to unacceptable consequences: Odour theories ignore the abstract-theoretical nature of "sensations" and confuse causal explanations of the intentional object of perception with the description of phenomenal qualities' structure. Apart from the fact that the characterization of odours as things either turns out as circular reasoning or results in an infinite regress, it will be shown how such an assumption may lead to bizarre views about olfactory experience - for example of spatiality - as well as about deceptive appearances in olfaction. Especially the latter, I believe, can be described much more thoroughly in terms of phenomenology and perceptual holism. Finally, my considerations shall help me to come up with some theses on the basic phenomenal structure of exteroceptive aesthetic objects.