Textbasierte Lehrveranstaltungen online gestalten

Ideen zum Umgang mit textbasierten Seminaren

Kathrin Schmidt

In vielen Fächern ist es üblich, dass Lehrveranstaltungen inhaltlich hauptsächlich textgeleitet sind (z. B. in Literaturwissenschaft, Philosophie, Sozialwissenschaften, Theologien, usw.).

Besonders für textbasierte Lehrveranstaltungen ist die aktuelle Situation eine Herausforderung. Es ist ohnehin immer schwierig herauszufinden, ob Studierende die Texte richtig verstehen, einordnen oder reflektieren können. Üblicherweise wird in Seminaren deshalb versucht, über Diskussionen sicherzustellen, dass Unklarheiten ausgeräumt werden. Viele Lehrende fragen sich jetzt aber, wie sie mit ihren Studierenden gemeinsam an Texten arbeiten können.

Sie können Studierenden nach wie vor Texte (z. B. in OLAT) zugänglich machen.

Doch es gestaltet sich in der Tat aktuell schwieriger, das Textverständnis bei den Studierenden auch sicherzustellen, wenn Sie Ihre Studierenden nicht im Seminar persönlich sehen und mit ihnen diskutieren können.  

Hinzu kommen auch noch andere Herausforderungen wie Gruppengröße, der Umgang von Studierenden mit wissenschaftlichen Texten und die Organisation einer onlinebasierten Lehrveranstaltung, die ursprünglich nicht als Onlineformat geplant war.

Je nach Größe der Gruppe gibt es verschiedene Möglichkeiten, wie Sie mit Ihren Studierenden Texte diskutieren können.

Kleine Gruppen

(5-10):

In Skype oder Zoom ist es möglich eine Konferenz mit mehreren Personen zu machen. Bei kleinen Gruppen bleibt eine Diskussion online noch übersichtlich. So können Sie direkt mit den Studierenden sprechen.

Auch ein Chat wäre in kleinen Gruppen möglich. Eine Chatfunktion gibt es z. B. auch in OLAT, Sie können dazu einen Kurs einrichten der die Chatfunktion beinhaltet. Dort können die Studierenden unter sich oder mit Ihnen (z. B. zu festen Zeiten) chatten und so die Inhalte in Chatform besprechen.

 

Mittel- große Gruppen

(10-20):

Bei mittelgroßen Gruppen wird es schon unübersichtlicher in einer live-Diskussion online oder in einem Chat, weil man hier den Überblick schnell verliert wer etwas sagt oder schreibt. Hier könnte beispielsweise ein Forum im OLAT helfen. Sie als Dozent*in können im Forum Fragen bzw. Aufgaben (siehe hier Wie schreibe ich lernförderliche Aufgaben und Aufgabenblätter?“ sowie "Gute Selbststudiumsaufgaben") einstellen, die dort von den Studierenden „diskutiert“ werden sollen. Die Studierenden können dabei auch gegenseitig auf ihre Antworten eingehen. Sie als Dozent*in bekommen einen guten Überblick darüber, wie das Textverständnis oder das Reflexionsniveau aussieht. Bei Unklarheiten können Sie korrigieren oder auch weiterführende Fragen einstellen. Wichtig hierbei wären auch konkrete Angaben wie z. B. „Abgabefristen“ o. ä. (Bis wann muss ich mein Kommentar im Forum eingestellt haben? Wie lang muss mein Beitrag im Forum mindestens sein? usw.) damit die Studierenden genau wissen, was sie tun sollen.

 

Große Gruppen

(20+):

Wie in normalen Lehrveranstaltungen auch, wird der organisatorische Aufwand größer, je größer die Gruppe ist. Auch Diskussionen in großen Lehrveranstaltungen sind aus verschiedenen Gründen meist schwieriger und schleppender als in kleinen Veranstaltungen. Wenn das nun online geschehen soll ist unter anderem auch die „Verantwortungsdiffusion“ noch größer, wer den ersten Beitrag nun einstellt, wer wieviel zu was sagen soll usw. In großen Gruppen braucht es daher mehr Struktur und klarere Aufgaben (z.B. Arbeitsblätter zum Text, Leitfragen zum Text usw. siehe auch hier Wie schreibe ich lernförderliche Aufgaben und Aufgabenblätter?“ sowie "Gute Selbststudiumsaufgaben")

Überlegen Sie sich, ob Sie die Gruppe vielleicht teilen. Eine Idee wäre vielleicht, dass Gruppe A als Aufgabe gute Fragen zum Text erstellen soll und diese in OLAT hoch lädt. (Sie können dann diese Fragen korrigieren, verfeinern, erweitern.) Gruppe B soll diese Fragen dann beantworten (in einem Forum, in einem Arbeitsblatt o. ä.) Danach könnte man die Antworten von Gruppe B wiederum von Gruppe A kommentieren lassen.

Hierbei wäre die zeitliche Organisation besonders wichtig! Überlegen Sie gut, wieviel Zeit sie dafür einräumen können. So eine Aufgabe kann auch über mehrere „Sitzungen“ gehen und muss nicht in einer Woche erledigt sein.

Wir dürfen nicht vergessen, dass viele Studierende noch nicht so viel Erfahrung im Umgang mit wissenschaftlichen Texten haben. In Masterseminaren gestalten sich Diskussionen, allein schon durch die Erfahrung der Studierenden im Umgang mit den Texten, anders als in Bachelorseminaren. Bitte beachten Sie bei der Umstellung Ihrer Lehre auf Onlineformate auch die Semesterzahl und die Heterogenität innerhalb der Gruppen. Um so viele Studierende wie möglich zu erreichen, ist es deshalb sinnvoll ihnen Hilfestellungen beim Lesen zu geben.

Sie sind als Ansprechpartner*in nicht live als Person verfügbar, um Fragen zu beantworten. Die Hemmschwelle eine Verständnisfrage schriftlich an Sie zu formulieren ist wahrscheinlich größer als mündlich, denn was schwarz auf weiß geschrieben steht, kann man nicht zurücknehmen.

Überlegen Sie, welche Fragen den Studierenden helfen könnten, den Text besser zu verstehen. Vielleicht haben Sie aus Ihrer Erfahrung schon viele Fragen, die regelmäßig im Seminar gestellt wurden. Geben Sie diese Fragen den Studierenden mit auf den Weg durch den Text. Vielleicht als Arbeitsblatt zur Unterstützung beim Lesen mit Fragen, die sich auf den Inhalt beziehen. Vor allem in den ersten Semestern ist es hilfreich, wenn Sie Studierenden noch ein paar Fragen zur inhaltlichen Strukturierung des Textes geben.

(HIER finden Sie ein Beispiel aus einem Masterseminar in den Politikwissenschaften)

Des Weiteren können Sie Ihren Studierenden auch andere Leitfragen zur Reflexion des Textes mitgeben. Hier ein paar Beispiele:

  • Welche Sachverhalte erscheinen mir besonders wichtig und warum?
  • Was hat mich an dem Text überrascht? Gab es ein Aha-Erlebnis?
  • Kann ich die wichtigen Sachverhalte ich meinen eigenen Worten wiedergeben?
  • Welche zentralen Konzepte erscheinen mir so nützlich, dass ich sie mir merken will? Kann ich diese kurz und prägnant definieren?
  • Gibt es Beispiele aus meiner eigenen Biographie, die das Gelesene abbilden, bestätigen oder widerlegen?
  • Welche Aspekte des Textes sind für mich besonders interessant und überzeugend? Welche sind es nicht?
  • Ist mir der Bezug zwischen Text und Inhalt des Seminars klar?
  • Gibt es Anknüpfungspunkte zwischen dem Thema dieses Textes und dem der letzten Woche?
  • Welche weiterführenden Fragen wirft der Text auf?
  • Welche Fragen bleiben offen? Was ist mir noch unklar?

 Ein Arbeitsblatt mit Reflexionsfragen zur Vorbereitung auf eine Diskussion im Forum, Chat, per Skype usw. könnte zum Beispiel so aussehen: PDF

Die Organisation von Seiten der Lehrenden ist sicher eine der größten Umstellungen. Das wichtigste ist hier Transparenz! Teilen Sie den Studierenden ganz genau und kleinschrittig mit, was Sie wollen und wie bzw. in welcher Form.

  •  Zeitangaben
  • wie sollen die Aufgaben bearbeitet werden?
  •  in welcher Form sollen Aufgaben bearbeitet werden?
  • wo soll was und wie eingestellt, hochgeladen und/oder verschickt werden?
  • Semesterplan
  •   ...

Machen Sie sich vorab Gedanken, wie Ihre Online-Veranstaltung aussehen soll und teilen Sie Ihre Struktur den gesamten Kurs mit. Die Selbstverständlichkeit die eine Veranstaltung im Seminarraum hat und die Regeln die dort herrschen, fallen hier weg. Sicherlich schadet es auch nicht, Regeln festzulegen, die in OLAT-Kursen, Foren, Chats oder in Video-Konferenzen gelten sollen.

Es gibt auch einige Programme und Tools, die Ihnen helfen können, Ihre textbasierte Veranstaltung zu organisieren:

hypothes (zum gemeinsamen Arbeiten an Texten)

Trello (zur Organisation z. B. von Aufgaben und Abgabefristen)

padlet (zur Organisation z. B. von Aufgaben und Abgabefristen)

zoom (für Videokonferenzen und Online-Seminare)

skype (für kleine Diskussionen)