Ringvorlesung: Prof. Dr. Tanja Baudson I Was erkennen Lehrkräfte, wenn sie meinen, Intelligenz zu erkennen?
Prof. Dr. Tanja Baudson
Was erkennen Lehrkräfte, wenn sie meinen, Intelligenz zu erkennen?
Prädiktoren und Konsequenzen von Fehleinschätzungen kognitiver Fähigkeiten
Spätestens seit PISA eilt den deutschen Lehrkräften kein besonders guter Ruf voraus: Sie seien nicht fähig zu erkennen, was ihre Schüler/innen eigentlich können. Natürlich gibt es unter den Lehrkräften bessere und schlechtere Diagnostiker/innen – aber über die Gesamtgruppe hinweg betrachtet, ist ihr Urteil eigentlich gar nicht so schlecht.
Was aber macht ein akkurates Urteil aus? Welche Faktoren beeinflussen die Urteilsgenauigkeit auf Seiten der Beurteilenden und der Beurteilten – was macht gute Beurteiler aus, und welche Kinder sind besonders gefährdet, falsch eingeschätzt zu werden? Und welche Konsequenzen hat es, wenn Lehrkräfte ihre Schüler/innen über- oder unterschätzen? Diese Fragen beleuchtet der Vortrag sowohl aus theoretischer Perspektive als auch anhand empirischer Daten. Ein besonderer Schwerpunkt wird dabei auf der Einschätzung kognitiver Fähigkeiten liegen, denn im schulischen Kontext spielt die Intelligenz eine besondere Rolle: Kein anderes psychologisches Einzelmerkmal sagt nämlich die für den späteren Erfolg so relevanten Schulleistungen besser vorher. Daran knüpft sich die spannende Frage: Erkennen Lehrkräfte tatsächlich Intelligenz – oder letztlich doch nur die Leistung?
Schlussendlich stellt sich die Frage nach dem Kriterium, an dem wir die Akkuratheit des diagnostischen Urteils unter einer Entwicklungsperspektive bewerten. Hierzu will ich ein innovatives theoretisches Rahmenmodell vorstellen, das die verschiedenen diagnostischen Informationsquellen im Hinblick auf die positive Entwicklung des Individuums bewertet – und zu möglicherweise überraschenden Schlüssen kommt.